15 August 2016

Raus aus Schland - sechste Etappe Weliki Nowgorod - Tver

Brutales brettern: Leningrad - Veliki Nowgorod - Tver. Fünfhundert und noch was Kilometer. Stau dabei. Kurzer "Fotostop", zwei heiße Maiskolben mittags, weiter, Tver, schlaflos am Fluß, Autos rauschen vorbei.


Die Strecke am einen Tag, morgens um 8.00 ab, Mittags kurze Rast, Nachmittags noch kürzere Rast, abends Essen und Schlaf an der Straße in Tver am Fluß, schön aber laut.


Ein Marktweiblein wie meines daheim. In der Kürze der Mittagszeit kurz Beute gemacht - Kästchen aus Birkenholzrinde mit reichem Ornament im Deckel, zehn Stück 2000 Rubel. Sie freut sich, wir freuen uns an den Erinnerungen, die mein Marktweiblein mit mir auf dem Bamberger Weihnachtsmarkt verkaufen wird. Doch vorerst eine Burgbesichtigung im Schnellgang - mit Maiskolben auf der Hand abzunagen wie Eichhörnchen ihre Tannenzapfen.


Zwei Friedensfahrer mit Flagge zur Mittagszeit. Frank und Harry, der seinen Maiskolben abnagt. Ort: Veliki Nowgorod, älteste Stadt Russlands. Jetzt ist die Mitternachtstunde vorbei. Schnell Bilder in den Blog schmeißen. Irgendwann muss dann doch Schlaf kommen.





Wer wissen will, was er dort sieht, muss Wiki fragen:

Als eine der ältesten Städte Russlands feierte Weliki Nowgorod im September 2009 sein 1150-jähriges Bestehen. Im Mittelalter war Nowgorod Hauptstadt einer einflussreichen Handelsrepublik und bedeutender Mittler zwischen den Rus und dem Abendland, bevor es Teil des zentralisierten russischen Reichs wurde. Nowgorods architektonisches Erbe ist seit 1992 UNESCO-Weltkulturerbe. Nach einer Erhebung aus dem Jahr 2010 zählt Weliki Nowgorod zu den lebenswertesten Städten Russlands.
Die lebenswerteste Stadt Russland bestätigt dieser Bericht: Die Maiskolben schmeckten gut.











Zu einer lebenswerten Stadt gehört ein Strand.


Harry, der unermüdliche Friedensfahrer, Weltreisender und Ökologe...



Alles was Russland gut, schön und begehrenswert macht: Coca-Cola,  Puppen, die Puppen in Puppen in Puppen tragen, Zwiebelturmkirchen und alte Mauern.




Das Mütterchen hängt sich rein in ihr Akkordeonspiel, singt dazu, mein Herz schmilzt, mein Geldbeutel öffnet sich und wieder sind 10 Rubel dahin...




Jetzt müsste man Zeit haben, eine Dampferfahrt machen, eine Radtour anhängen, lange und genußvoll speisen, Wein trinken und vernünftige Sätze schreiben...





Auch die Soldaten besuchen die Stadt. Bislang die Einzigen, welche die Annahme der Friedensfahrt-Flyer verweigerten.


Ein Kutschfahrt mit der feschen Frau, die die Zügel hält, wäre auch nicht schlecht.


In der Eile der Fahrt gelang es mir nicht, die Panzer zu fotografieren, welche an der Strecke mindestens Stücke drei, vier erhöht auf Podesten drappiert waren.


Der siegreiche, große vaterländische Verteidigungskrieg ist eben noch all gegenwärtig. Den Brauch, Münzen in Brunnen zu werfen, war mir geläufig. Hier wirft man sein Münze in den Feuertopf. Und wieder waren 10 Rubel dahin.




Für diesen Herrn im Rollstuhl reichte meine Großzügigkeit dann allerdings nicht mehr. Zudem drängt die Uhr zur Weiterfahrt.



Den Herrn neben der Disney-Rutsche muss dann auf meinen nächsten Besuch in Nowgorod warten. So begnügt sich ein Fernblick mit Zoom in der Eile der Fahrt.


Denn schon sitzt man wieder auf dem Bock. Mein Freund Frank steuert den 3,5-Tonner bedachtsam vorbei an Wald und  Wiesen, an moorastigen Brachflächen und immer wieder an Straßendörfern mit einigen verfallenen Holzhausruinen. Die zur dreispurigen Schnellstraße ausgebaute Bahn führt so dicht an manchen Hütten vorbei, dass die Besitzer vom Vorgarten gleich auf die Straße kommen.



Wenn ein Städtchen sogar mit einem Marktplatz aufwarten kann, reduziert der Tourist seine Hetze auf die vorgeschriebene Geschwindigkeit. Doch in manchen Ortsdurchfahrten hätten die Kameras mein WoMo besser nicht bei überhöhter Geschwindigkeit filmen dürfen.




Einige Bilder aus dem Fenster beim brutalen Brettern, schnell, schnell, schnell...



Bis zu irgendeinem Ort, wo die Fahrerkolonne vor uns über Walkie-Talkie Fahrerwechsel verlangte, haben wir es in der Reihe von sieben Fahrzeugen ausgehalten.



Doch dem Charme dieser Autobahnraststätte konnten wir nicht wiederstehen. Zumal die Gäste vor uns etwas auf dem Teller hatten, was uns anmachte. Es heißt Blini für Harry und mich, Frank schaufelte im Schnellverfahren eine Suppe sich rein. Aus seinem Russland-Buch stammelte er "vegetarisch", "gibt's nicht", dann schaltete Frank auf Hühnersuppe um. Er macht sich durch "Gack-Gack" verständlich.



Beim Blick in eine benachbarte Werkstatt wurde mir der Sinn des kunstvollen Ambientes nicht ganz klar.



Dafür gab es dort ein Klo. Der Weg in den Wald zwischen die Bäume verwehrten mir knurrende Kettenhunde. Anzumerken bei dem Waschbecken ist, dass die Armaturen abmontiert sind.




Der Berichterstatter verbiegt seinen Hals, um auch in das Bild mit Selbstauslöser zu blicken. Für eine bessere Version fehlt die Zeit.





Man hört förmlich, wie Frank seine Suppenschale leer schlappt.



Während wir uns also fürstlich mästeten und standesgemäß entsorgten, waren die fünf eilig Reisenden längst Richtung Tver entfleucht. Wir sahen sie auch nicht wieder, obgleich wir in höchster Geschwindigkeit die dreispurige Bahn lang schrappten, immer weit über die Grenze der erlaubten 90 km/h und oftmals im Adrenalin-Rausch die weißen Linie regelwidrig kreuzend.


Doch gegen Sonnenuntergang, nur noch aufgehalten von einer gefühlten Stunde Staufahrt, rollten wir in Tver ein. Wo uns der Platz am Fluß neben einem Rummelplatz am besten gefiel. Unsere vergleichsweisen kleinen Autos schmiegten sich geschmeidig neben PKWs in die Parkbuchten. Harry hatte noch eine Holde mit Deutschkenntnissen nach diesem schönen Platz befragt, die uns Friedensfahrer vom Internet her kannten. Leider fand Harry, dem die Zunge nach so langer Fahrt durch die Pampa ohne weibliche Fürsorge schon hechelnd zum Halse raushing, diese kostbare Begegnung nicht wieder. Doch Harry ist kein Kind von Traurigkeit.









Das Licht zum Sonnenuntergang erschien uns, als hätte Mütterchen Russland über Tver einen Nebel von LSD ausgeschüttet.





Während Harry noch seine Holde suchte, vergnügten wir uns bei einer Fahrt im Riesenrad. Das hatte neben der Inspektion einer überaus knarzenden, rostigen Maschinerie den Vorteil, Tver von oben zu überblicken und sich wie im LSD-Rausch die Farben reinzuziehen.


Klar, dass die Lichterscheinung über dem Kirchenkreuz sich austobte.


Von luftiger Höhe schauten wir gefühlte 70 Meter in die Tiefe. Irgendwelche Türen, Klappen oder auch nur eine klappbare Schranke, die uns vor dem Absturz bewahrt hätte können, gab es bei dem Riesenrad nicht. Wir verkrallten mehr oder weniger in die Plastikschalen der Sitze, wenn wir nicht beide Hände zum Fotografieren brauchten. Zum Glück landeten wir nach einer Umrundung wieder am Boden, wo uns die Dame an der Eingangskontrolle jedoch an einer weiteren Fahrt in die Höhe hinderte und uns zum Ausstieg drängte. Und wieder waren 100 Rubel dahin.



Im Riesenrad










Die zeitliche Anordnung der Bilder lässt diesmal zu wünschen übrig. Doch es geht auf 2.00 Uhr in der Nacht. Der Lärm draußen nimmt ab. Es sollte für eine Prise Schlaf reichen, bevor es morgen nach Moskau geht. Acht Uhr in der Früh. Es sollte schon zum Sammelpunkt gehen zur Abfahrt nach Moskau.




Rathaus in Tver










Mein Freund Wolfgang kommentiert  noch in der Nacht:

Thanks again for your impressive report.

I admire you people for that good thing you do to the relations with Russia.
This is contrary to the war monger sounds one get daily from NATO and
German so called "defense" officials.
I'm sick and tired to see and listen to American accusations that Russia is
evil and deserves to be "contained" by NATO....their NATO.
Looking into statistics we all know that the US is behind the biggest armed
conflicts internationally in the past 60 years and ALL their wars were based
on impertinent lies....
They're just preparing another one......

Erhard, I'm overwhelmed that you spend sooo much money on charity, 10
Rubels here, 10 Rubels there....
May the Lord compensate you for all those 0.14 Euros.... :-))

Safe continuation, good luck and I'm with you guys.

From London....

Cheers,

Wolf
Aus dem Gelben Forum schreibt jemand:

Hallo n0by,

 Als kleine Ermunterung und musikalischer Rahmen fällt mir zur Reise ein wunderbarer Song von Sting ein: "Russians" [[top]]

 Sting hat sich zur Entstehung des Liedes im Russischen TV geäußert (Mitten im Kalten Krieg, Beginn 80er Jahre, Reagan, NATO-Nachrüstung usw.), und weil der Song - so erklärt! - wunderbar und authentisch als Zeitdokument "rüberkommt", möchte ich hier gern daran erinnern: leider aus aktuellem Anlaß [[zwinker]]

 Hier kommt er auf die interessante Entstehung des Songs zu sprechen:
 ==> Video






Keine Kommentare: